Interview mit Thomas Ebeling

Thomas Ebeling im Gespräch (Foto)

Thomas Ebeling

CEO ProsiebenSat.1 Media SE

CEO Thomas Ebeling blickt auf das Geschäftsjahr 2016 zurück und erläutert, wie ProSiebenSat.1 die Digitalisierung und Vernetzung innerhalb des Konzerns vorantreibt und so seinen Wachstumskurs nachhaltig fortsetzt.

Herr Ebeling, wie war das Geschäftsjahr 2016?

Wir haben 2016 erneut Rekordwerte bei Umsatz und operativem Ergebnis erzielt. Der Konzernumsatz ist seit 2009 von Jahr zu Jahr durchschnittlich um 10 Prozent gewachsen, das bereinigte EBITDA sogar noch etwas stärker. Das zeigt, wie nachhaltig unsere Strategie funktioniert. ProSiebenSat.1 ist der erste Medienkonzern, der Fernsehen, digitales Entertainment, Commerce sowie Content-Produktion kombiniert und die daraus resultierenden Synergien konsequent nutzt.

Hat Ihr Geschäftsbericht deshalb das Motto „Connecting the Dots“?

Synergien innerhalb unseres Portfolios zu erschließen, ist der Kern unserer Strategie. Indem wir unsere Segmente innerhalb und untereinander vernetzen, schaffen wir zusätzliche Wachstumspotenziale und nutzen die Chancen, die sich aus der Digitalisierung ergeben: Durch TV-Werbung auf unseren Sendern machen wir eigene Marken wie unsere E-Commerce-Angebote bekannter. Zugleich können wir über unsere digitalen Plattformen ein umfangreiches Wissen über Konsumenten aufbauen und damit unseren Werbekunden künftig weitere Vorteile für die passgenaue Adressierbarkeit von Kampagnen bieten. Das ist nur ein Beispiel für unser Erfolgsrezept „Connecting the Dots“.

3,799 MRD EURO

Umsatz hat die ProSiebenSat.1 Group im Geschäftsjahr 2016 erzielt. Dies entspricht einem Plus von 17 Prozent.

Sie wachsen organisch, haben zuletzt aber auch über Zukäufe expandiert. Wird sich diese Entwicklung fortsetzen?

Das hohe Potenzial, das aus der Verknüpfung von TV, digitalem Entertainment und Commerce entsteht, ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für uns. Es ist zudem eine wichtige Grundlage für unser organisches Wachstum im Digitalsektor. Hier entwickeln wir uns mit strategisch relevanten Marken wie maxdome oder unserem Lifestyle- Commerce-Portfolio dynamisch. Parallel dazu haben Akquisitionen unser Wachstum im letzten Jahr beschleunigt, sodass wir unsere Finanzziele für 2018 im Oktober 2016 erneut angehoben haben. Wir wollen 2018 einen Konzernumsatz von 4,5 Mrd Euro erwirtschaften. Das Digitalgeschäft soll dann insgesamt 1,7 Mrd Euro zum Umsatz beitragen. Dies reflektiert unsere Vision und strategische Zielsetzung, über digitale Angebote weiter zu expandieren und den Konzern als führendes „Entertainment & Commerce Powerhouse“ zu positionieren.

Wie sieht Ihre Akquisitionsstrategie für die nächsten Jahre aus?

Grundsätzlich halten wir an unserem Zielkorridor für den Verschuldungsgrad fest und fokussieren uns bei möglichen Akquisitionen auf Firmen, die unser Portfolio wertsteigernd ergänzen. Dazu zählen Unternehmen, die sich wirksam über TV-Werbung vermarkten lassen und eben ein hohes Synergiepotenzial mit unseren bestehenden Geschäftsfeldern haben. Diese M&A-Strategie wollen wir fortsetzen. Wir beobachten die relevanten Märkte dazu sehr genau und haben über eine Kapitalerhöhung im November 2016 unseren finanziellen Spielraum erhöht. Gleichzeitig prüfen wir selbstverständlich alle Optionen für unser Portfolio. Dazu gehören möglicherweise auch Desinvestitionen oder strategische Allianzen, wenn sich hieraus Vorteile für uns ergeben. So ­haben wir beispielsweise im Januar 2017 mit TF1 und Mediaset zwei europäische Partner in unser Multi-Channel-Netzwerk Studio71 mit aufgenommen.

ProSiebenSat.1 ist seit März 2016 als erster Medienkonzern im DAX notiert. Warum ist die Aktie für Anleger so attraktiv?

Wir wachsen dynamisch und verfolgen eine nachhaltige Unternehmensstrategie mit konkreten Zielsetzungen. Diese haben wir stets erreicht, teilweise sogar übertroffen. Gleichzeitig schütten wir jährlich 80 bis 90 Prozent unseres bereinigten Konzernjahresüberschusses als Dividende aus. So auch in diesem Jahr: Für 2016 wollen wir die Dividende auf 1,90 Euro je Aktie anheben und unsere Aktionäre wiederum an unserem Erfolg partizipieren lassen. Wir haben uns im Kapitalmarkt nicht nur den Ruf eines sehr zuverlässigen Partners erarbeitet. Investoren schätzen zudem unser Tempo bei der Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen. Wir haben den Mut, Dinge auszuprobieren und ermöglichen so Fortschritt. Denken Sie an maxdome, das 2006 der erste Online-Video- Dienst auf dem deutschen Markt war. 2016 haben wir mit glomex und Quazer zwei weitere innovative Online-Video-Produkte gestartet. Und mit Addressable TV sind wir in der Vermarktung Vorreiter, die Vorteile der beiden Mediengattungen TV und Online zusammenzubringen. Dieses Unternehmertum und diese Innovationskraft sind tief in unserem Konzern verankert und zeichnen unsere Mitarbeiter aus.

1,018 MRD EURO

recurring EBITDA erwirtschaftete
der Konzern 2016, 10 Prozent mehr
als im Vorjahr.

Kommen wir zum operativen Geschäft. Wie lief es 2016 im TV-Segment?

ProSiebenSat.1 ist die Nummer 1 im Zuschauer- und TV-Werbemarkt. Ein Sportjahr wie 2016 ist immer eine Herausforderung für die privaten TV-Sender. Wir hatten jedoch starke Formate wie „The Voice of Germany“ und „Germany’s Next Topmodel“ on Air und haben mit Joko und Klaas neue Showideen gestartet. Gleichzeitig bauen wir unsere Reichweite und unser Angebot für die Zuschauer kontinuierlich aus. Nicht zuletzt haben wir mit kabel eins Doku 2016 unseren siebten Free-TV-Sender gelauncht. Damit bieten wir unseren Werbekunden ein zusätzliches attraktives Vermarktungsumfeld. Zudem ist unser Distributionsgeschäft weiter dynamisch gewachsen und wir konnten viele wichtige Partnerschaften wie beispielsweise mit Vodafone zur mobilen Verbreitung unserer Programme schließen.

Welche Rolle wird das TV-Geschäft innerhalb von ProSiebenSat.1 künftig spielen?

Basis unseres Erfolgs ist und bleibt TV: Fernsehen ist das effektivste Werbemedium. Zugleich hat TV in Deutschland in allen relevanten Zuschauergruppen die höchste Reichweite. Wir erwarten daher für den TV-Werbemarkt 2017 ein solides Wachstum von 2 bis 3 Prozent netto. Damit unterscheidet sich der deutsche TV-Markt grundlegend von denen in UK und den USA. Fernsehen hat in Deutschland als Werbemedium noch großes Potenzial, da es gerade im Vergleich zu den englischsprachigen Märkten seine Reichweite noch nicht komplett kapitalisiert. Hinzu kommt die strukturelle Veränderung des deutschen Werbemarkts: Bewegtbild-Werbung wird immer wichtiger und gewinnt im Zuge der Digitalisierung vor allem von Print Marktanteile. Gleichzeitig beeinflussen der technologische Wandel und insbesondere die steigende Internetnutzung das Mediennutzungsverhalten. Wir verfolgen ­daher eine digitale Entertainment-Strategie. Mit maxdome, Studio71 und vielen weiteren Digitalangeboten bieten wir auch auf Abruf, online und mobil hochwertige Unterhaltung.

1,90EURO

je Stammaktie lautet der
Dividendenvorschlag.

Wie schaffen Sie es, auch im TV-Bereich von der Digitalisierung zu profitieren?

Das beste Beispiel dafür ist Addressable TV: Auf Internet-fähigen TV-Geräten können wir Werbemittel selektiv aus­steuern, etwa je nach Wetterlage. In Gebieten, in denen es regnet, lohnt es sich, für Grippemittel zu werben. Dort, wo die Sonne scheint, wird ein Werbebanner für Sonnencreme eingeblendet. Mit Addressable TV haben wir folglich im Reichweitenmedium TV eine neue Werbeform geschaffen, mit der Unternehmen ihre Kunden nicht nur schnell und effektiv, sondern noch zielgruppengenauer erreichen. Dabei profitieren wir einmal mehr von Synergien im Konzern: Über unser Wetter-Portal wetter.com bekommen wir die Daten, die für das gerade erwähnte Wetter-Targeting nötig sind. Wir treiben diese Innovationen stark voran und haben 2016 bereits rund 100 Addressable TV-Werbekampagnen umgesetzt. So können wir unseren Werbekunden neben den klassischen Spots zusätzliche Angebote machen und TV-Werbung auch für die Zuschauer noch relevanter gestalten.

Seit dem dritten Quartal 2016 weisen Sie Ihre Digitalaktivitäten in zwei Segmenten aus. Wie lief es im Gesamtjahr bei Digital Entertainment?

Unser Umsatz ist hier um 19 Prozent gestiegen, wobei sich die Kernbereiche Video und AdTech sehr dynamisch entwickeln und von Akquisitionen profitieren. Das Video-on-Demand-Portal maxdome hat erstmals über 1 Mio Abonnenten erreicht. 2016 haben wir zudem einen mehrjährigen Kooperationsvertrag mit der Deutschen Bahn geschlossen, sodass maxdome künftig in allen ICEs verfügbar sein wird. Für Studio71 haben wir mit der TF1 Group und Mediaset zwei europäische Partner mit an Bord geholt, was uns Zugang zu neuen Märkten eröffnet. Hohes Potenzial sehe ich zudem im AdTech-Bereich, da uns diese Techniken helfen, Werbung automatisiert und passgenauer einzubinden. Daher haben wir auch hier weiter investiert. Wir decken nun die gesamte Wertschöpfungskette ab und bieten sowohl Digital- und TV-Daten als auch das nötige technische Know-how.

65 PROZENT

auf 768 Mio Euro betrug der Anstieg der externen Umsätze im Segment Digital Ventures & Commerce.

Wie hat sich das Segment Digital Ventures & Commerce 2016 entwickelt?

Mit einem Umsatzplus von 65 Prozent war dieses Segment unser größter Wachstumstreiber. Akquisitionen wie das Online-Flugreiseportal etraveli und das Preisvergleichsportal Verivox haben den hohen und zugleich profitablen Umsatzanstieg beschleunigt. Mit dem Kauf der PARSHIP ELITE Group haben wir das Commerce-Portfolio zudem im vierten Quartal 2016 um eine weitere strategische Akquisition erweitert. Dies hat uns einen neuen Wachstumsmarkt erschlossen: Das Unternehmen betreibt mit Parship und ElitePartner die bereits führenden Portale für Online-Partnervermittlung im deutschsprachigen Raum. Deren Erfolg lässt sich jedoch über Werbung im TV noch weiter steigern. Die Mehrheitsbeteiligung an Parship war unsere dritte große Akquisition im Digitalsektor innerhalb von 18 Monaten. Nun gliedern wir unsere Commerce-Beteiligungen in die vier Verticals Online Travel, Online Price Comparison, Online Dating und Lifestyle Commerce.

Inwiefern profitieren diese Beteiligungen von Synergien innerhalb des Konzerns?

Der wichtigste Hebel ist TV-Werbung. Wir sehen klar, dass unsere Beteiligungen von Werbezeit auf unseren Sendern stark profitieren. Ein Erfolgsbeispiel ist Verivox: Bei dem Online-Vergleichsportal sind die Erlöse innerhalb von einem Jahr nach Integration in unsere Gruppe um knapp 40 Prozent gestiegen. Doch das ist nicht alles: Wir realisieren Synergien auch zwischen und innerhalb unserer Verticals, indem wir die Plattformen vernetzen. 2016 haben wir deshalb die Angebote von weg.de oder billiger-mietwagen.de in das Vergleichsportfolio von Verivox integriert. So profitieren alle Unternehmen voneinander, da sie ihre Reichweite erhöhen und damit ihre Kundenbasis vergrößern. Für unsere Nutzer können wir wiederum Mehrwert schaffen, da wir Services gebündelt anbieten. Der nächste Schritt ist, unsere vielfältigen Angebote rund um Gesundheit, Wellness und Mode in ein ganzheitliches Lifestyle Commerce Ecosystem einzubetten und den Konsumenten so auf seiner gesamten Customer Journey zu begleiten. Dazu haben wir uns 2016 beispielsweise an WindStar Medical beteiligt. Deren Gesundheitsartikel sind sowohl über das Internet als auch in Drogeriemärkten erhältlich.

Worauf konzentrieren Sie sich im Segment Content Production & Global Sales?

2016 sind wir hier mit einem Umsatzanstieg von 38 Prozent weiter stark gewachsen, organisch und durch Akquisitionen. Insbesondere unser US-Produktionsgeschäft hatte einen großen Anteil an diesem Erfolg: Red Arrow erwirtschaftet mittlerweile über 70 Prozent der Umsätze im größten TV-Markt der Welt. Neben diesem US-Fokus bauen wir in Deutschland die Zusammenarbeit zwischen Red Arrow und unseren TV-Sendern aus. Unser Ziel ist es, dass immer mehr lokale Produktionen aus dem Red Arrow-Netzwerk kommen und wir so unsere Programmversorgung mit attraktiven Inhalten stärken. 2016 haben wir dabei große Fortschritte gemacht. Die deutsche Red Arrow-Tochter Redseven Entertainment hat zum Beispiel das Dating-Format „Kiss Bang Love“ erfolgreich für ProSieben produziert. Die Show stammt von der dänischen Red Arrow-Tochter Snowman Productions und ist ein gutes Beispiel, wie wir künftig die internationalen Ideen aus dem Netzwerk noch stärker für ProSiebenSat.1 nutzen wollen. Und auch hier sieht man, wie wir Synergien im Konzern realisieren und was wir unter „Connecting the Dots“ verstehen.

4,5 MRD EURO

Umsatz will ProSiebenSat.1
im Jahr 2018 erreichen.

Ist dieser Vernetzungsgedanke auch Grundlage Ihrer Vision, ProSiebenSat.1 als Omnichannel-Konzern zu positionieren?

Ja, eindeutig. In den kommenden Jahren wollen wir ProSiebenSat.1 zu einem führenden „Omnichannel Entertainment & Commerce Brand Powerhouse“ ausbauen. Das bedeutet: Wir wollen relevante Themenwelten und Vermarktungsumfelder schaffen, sowohl für unsere eigenen Produkte als auch die unserer Werbekunden. Das funktioniert nur, wenn wir unsere Geschäftsbereiche bestmöglich miteinander vernetzen und Konsumenten zudem ein ganzheitliches Kauferlebnis bieten. Dafür wollen wir unsere Handelskette von TV über Digital bis hin zum Point of Sale erweitern. Auch dabei werden wir von der Vernetzung unseres Unterhaltungs- und Commerce-Geschäfts profitieren. Das unterscheidet uns deutlich von unseren Wettbewerbern.

Welche Ziele verfolgen Sie 2017 und darüber hinaus?

Wir sind gut ins erste Quartal gestartet und wollen auf Jahressicht unser deutliches Wachstum fortsetzen – sowohl organisch als auch durch Akquisitionen. Insgesamt streben wir für 2017 eine Steigerung des Konzernumsatzes mindestens im hohen einstelligen Prozentbereich an. Dazu werden alle Segmente beitragen. Wir sind so auf dem besten Weg, unsere 2018-Finanzziele zu realisieren. Diese können wir durch rein organisches Wachstum erreichen. Das heißt, weitere Akquisitionen würden zusätzliches Umsatz- und Ergebnispotenzial bergen. Wir wachsen im Kerngeschäft TV beständig mit einer hohen Ergebnismarge und zugleich dynamisch in unseren anderen Segmenten. Ich bin überzeugt, dass wir ProSiebenSat.1 auf dieser Grundlage nachhaltig und erfolgreich weiterentwickeln werden.